Interview mit Dr. Lichtenberg

Dr. med. Michael Lichtenberg

Fünf Fragen an Herrn Dr. Michael Lichtenberg, Chefarzt der Angiologie am Klinikum Hochsauerland und seit 2020 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie.

Herr Dr. Lichtenberg, Sie waren in Ihrer medizinischen Laufbahn in der Inneren Medizin, der Kardiologie und der Intensivmedizin tätig. Was hat Sie dann in die Angiologie geführt? Was fasziniert Sie an diesem Fachgebiet?

Gefäßerkrankungen haben mich von Anfang an in meiner internistischen Ausbildung interessiert. Angiologische Themenbereiche finden sich in allen Subdisziplinen der Inneren Medizin. Das Fach Angiologie bietet jedoch die Möglichkeit gefäßmedizinische Erkrankungen von der Pathophysiologie bis zur Therapie zu erforschen. Das bietet kein anderes Fach.

Wie hat sich die vaskuläre Medizin seit Beginn Ihrer Karriere entwickelt? In welchen Bereichen der vaskulären Medizin wird es ihrer Ansicht in den nächsten Jahren die größten Veränderungen geben?

In vielen Bereichen der vaskulären Medizin sind durch Angiologen bahnbrechende Therapien in der Vergangenheit etabliert worden. Die Innovationen vor allem im endovaskulären Bereich der letzten Jahre sind phantastisch. „Endovascular first“ ist weltweit akzeptiert. Dazu hat die Angiologie maßgeblich beigetragen. Wir können heute in Gefäßbereichen arbeiten, die uns vor 20 Jahren noch utopisch vorkamen. Schwer kranken Gefäßpatienten konnte mit diesen Entwicklungen geholfen werden zum Beispiel Amputationen zu vermeiden. Trotzdem müssen wir die Forschung intensivieren und weiter vorantreiben, da wir in vielen Bereichen noch am Anfang stehen. Die „jungen Angiologen“ sind aus meiner Sicht die Hoffnungsträger den Innovationsdrang der Angiologie fortzusetzen.

Gibt es einen Fall in Ihrer Karriere, den Sie besonders in Erinnerung behalten haben?

Sicherlich kennen wir alle solche schicksalhaften Fälle. Ich erinnere mich an einen 23-jährigen Flüchtling, der trotz einer Schusswunde mit schweren Verletzungen der Unterschenkelarterien hunderte Kilometer auf der Flucht gelaufen ist. Zusammen mit den gefäßchirurgischen Kollegen haben wir es endovaskulär und offen chirurgisch erreicht die Amputation des Unterschenkels zu verhindern. Er spielt heute in der Kreisliga Fußball und hat eine Ausbildung zum Bäcker absolviert.

Niederlagen gehören aber auch zu diesen Erinnerungen. Junge Typ-I-Diabetiker, die trotz moderner Verfahren amputiert werden mussten, fallen mir in diesem Zusammenhang ein. Ein Patient hat nach einer Amputation Selbstmord begangen. Das werde ich nicht vergessen.

Seit diesem Jahr sind Sie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie, Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA, Berlin). Was möchten Sie in dieser Position erreichen? Wie sehen Ihre Ziele aus?

Die DGA hat als wissenschaftliche Fachgesellschaft in den letzten Jahren eindrucksvoll demonstriert, dass die vaskuläre Medizin ohne „die Angiologie“ nicht vorstellbar ist. Leitlinien wurden in vielen gefäßmedizinischen Bereichen durch die DGA federführend erstellt. Hierzu gehören neben vielen anderen zum Beispiel die S3-Leitinie zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder die S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie. Curricula wurden entwickelt um Zertifizierungen zu erreichen, den Nachwuchs auszubilden und einheitliche Standards zu etablieren. Die Jahrestagungen inklusive des Interventionskongresses sind zu einem Magneten für alle vaskulären Fächer geworden, da auf höchstem Niveau die neuesten Forschungsergebnisse publiziert werden. Durch das RECCORD-Register hat die DGA Verantwortung für die gesellschaftliche Versorgungsforschung im vaskulären Bereich übernommen und bereits nach einem Jahr zeigen können, auf welch hohem Niveau endovaskuläre Gefäßmedizin in Deutschland betrieben wird. All diese Punkte haben dazu geführt, dass die DGA in den letzten Jahren einen enormen Mitgliederzuwachs verzeichnen konnte. Die DGA ist als meinungsbildende Fachgesellschaft für die vaskuläre Medizin eindeutig positioniert.

Ich sehe die Aufgabe des Präsidenten der DGA darin, Etabliertes zu optimieren und zusammen mit dem Vorstand und Beirat der DGA neue Wege und Projekte zu definieren und umzusetzen. Gleichzeitig müssen die Strukturen so aufgestellt werden, dass auch zukünftige Generationen die erfolgreiche Entwicklung der DGA weiter vorantreiben können.

Wie können wir junge Kolleginnen und Kollegen für das Fachgebiet Angiologie begeistern?

Die Angiologie ist ein junges Fach mit Zukunft. Nach meiner Einschätzung eines der spannendsten Fächer in der Inneren Medizin. Abwechslungsreich, herausfordernd und für Wissenschaftler ein Fach mit unendlichen Perspektiven, da es noch viel zu erforschen gibt. Junge Kolleginnen und Kollegen können aufgrund der neuen Weiterbildungsordnung selbst die Entscheidung treffen, eine Ausbildung in der konservativen oder interventionellen Angiologie anzustreben. Die interventionelle Angiologie gehört nun fest zum Weiterbildungskatalog und bringt damit unzählige Karriereoptionen für nachfolgende Generationen. Das Interventions-Curriculum der DGA, als auch die vielen Projekte der jungen Angiologen, wie der Summer-School, Symposien während der Jahrestagungen und Workshops unterstützen diese Ausbildung zum Interventionalisten. Es ist somit eines der zentralen Ziele der Fachgesellschaft, diese Ausbildung in den vielen angiologischen Zentren in Deutschland auszubauen.